Bericht von der Hauptverhandlung am 29.06.2021

Es war soweit: Frettchen sollte der Prozess gemacht werden. Um 14:00 Uhr fanden sich über 20 solidarische Aktivistis und Unterstützter:Innen vor dem Gerichtsgebäude zusammen. Die Hauptverhandlung war auf 15:00 Uhr terminiert. Frettchen saß bereits seit 8 Tagen in Gewahrsam/Haft. 7 Tage davon in Vernichtungshaft (auch bekannt als Isolationshaft). – Dies bedeutete dass Frettchen (bis auf ein Mal je am ersten und letzten Tag) keinen Hofgang hatte. Hofgang ist das Recht der Gefangenen, pro Tag je eine Stunde im Freien zu verbringen, dieses Recht darf Gefangen eigentlich nicht genommen werden. Um- oder Aufschluss (die Möglichkeit, andere Gefangene zu besuchen) gab es gar nicht. Frettchen hatte in der Zelle, bis auf die Prozess-Akte, keinerlei Beschäftigungsmöglichkeit. Erst nach 3 Tagen wurden Zettel und Stift zugestanden, nach 4 Tagen ein Buch. Von weit über 60 Sendungen erreichten Frettchen bis zur Entlassung nur 3 Briefe und 2 Postkarten. Selbst Abgeordnetenpost wurde nicht zugestellt.


Weiter wurde Frettchen jeglicher Besuch oder telefonischer Kontakt verboten. Selbst das Gespräch mit dem bestellten Verteidiger wurde (wieder einmal gesetzeswidrig) verhindert. Der Anwalt wurde bei Anrufen angelogen, dass Frettchen nicht erreichbar wäre – Frettchen saß währenddessen, wie beschrieben, allein in der Zelle und forderte täglich, mit dem Verteidiger sprechen zu dürfen. Frettchen wurde indes erzählt, dass kein Verteidiger anrufen würde. Ein Gespräch zwischen Verteidiger und Frettchen war dadurch erst unmittelbar vor der Hauptverhandlung möglich, was schließlich auch der Zweck des ganzen gewesen war.

Die Isolation endete erst am Tag der Hauptverhandlung, 29.06. Dort wurden weiter offenkundig gegen Recht verstoßen. Frettchen wurde explizit gewünschte Kleidung nicht ausgehändigt. Dies stände eigentlich jeder angeklagten Person zu. Die Kleidung wurde rechtzeitig von Unterstützer:Innen in die JVA gebracht, dort wurde versprochen, dass Frettchen die Kleidung rechtzeitig bekomme. – Faktisch war Frettchen gezwungen, die alte Kleidung anzuziehen, welche vor einer Woche nach der Räumung weggenommen worden war. Ergänzt wurde das Outfit durch einen Verband am Arm (→ Trittverletzung durch Polizist bei der Räumung).
Die Öffentlichkeit im Prozess wurde stark eingeschränkt, es waren lediglich 4 Zuschauer:Innen und 2 Journalist:Innen erlaubt, dies wurde mit Corona-Auflagen begründet. Zusätzlich war es aber anscheinend Pandemie-mäßig vertretbar, dass sich zusätzlich 4 Justizbeamte im Zuschauer:Innen-Bereich aufhielten.
Erst unmittelbar bevor der eigentliche Prozess losging, wurde offenbart, dass die Polizei schon längst Frettchens Identität herausgefunden hatte – Mensch war der Polizei bereits durch andere politische Aktionen bekannt. Diese Erkenntnis muss bereits im Vorfeld dagewesen sein, trotzdem wurde Frettchen weiter unter menschenverachtenden Bedingungen in Haft gehalten, obwohl die fehlenden Personalien die Rechtfertigung für die Haft gewesen waren.
Im Prozess sollten zwei Zeug:Innen aussagen. Als erstes der sich beleidigt fühlende Polizist (mit drei goldenen Sternen) und als zweiter ein weiterer Polizist, der angeblich bei der Räumung anwesend gewesen war. Welche beleidigende Formulierung Frettchen genau gesagt haben soll, konnte durch die Aussagen nicht geklärt werden, da sich die Aussagen widersprachen.
Plötzlich reichte die Polizei ein Video ein, welches weder in den Akten war, noch der Verteidigung sonst bekannt gemacht worden war. Auf dem Video sollte die angebliche Beleidigung dokumentiert worden sein. Es war dabei aber nicht erkennbar, wer was zu wem gesagt hat. Das Video wurde dann plötzlich unterbrochen, genau an der Stelle, an der Frettchens Misshandlungen sichtbar gewesen wären. Ein Antrag Frettchens auf vollständige Betrachtung des Videos wurde vom Richter abgelehnt. Auch sonst wurde die Verteidigung wo es nur ging behindert. Neben dem bereits erwähnten Verhindern von Verteidigergesprächen, wurde Frettchen bei der Überführung aus dem Knast zum Gerichtssaal ein Teil der Verteidigungsunterlagen weggenommen, und auch nach wehementen Forderungen, diese zurückzubekommen, einbehalten. Stattdessen wurde mit körperlicher Gewalt gedroht. Dem vorsitzenden Richter schien nur all zu Recht zu sein, dass sich Frettchen nicht angemessen verteidigen kann, und mit hämischen Kommentaren lehnte der Richter die Anträge auf Aushändigung der Verteidigungsunterlagen ab. Frettchen konnte dadurch nur einen Teil der vorbereiteten Anträge stellen. Ein faires Verfahren sieht wirklich anders aus.

Der Richter bot Frettchen schließlich an, gegen die Auflage einzustellen, dass Frettchen sich bei dem Polizisten für etwas entschuldigt, was in einer Situation angeblich gerufen wurde, in der aufgrund des polizeilichen Handelns absolute Lebensgefahr bestand. Dies wurde selbstverständlich verneint. Dafür, weiterleben zu wollen, muss sich niemand entschuldigen. Auch nicht in Bayern. Sämtliche von der Verteidigung eingebrachten Beweisanträge wurden abgelehnt.
Schließlich wurde Frettchen zu insgesamt 40 Tagessätzen zu je 10€ verurteilt. – zur Erinnerung, der offizielle Vorwurf ist Beleidigung. Frettchen ist aber wenigstens wieder frei, und allen cholerischen Ausrastern, “Moral”predigten und Apellen an Respekt für die Jusitz des Vorsitzenden Richters zum Trotzt sehr guter Dinge.